Orchideenblüten - Textauszug: IVF, erster Versuch

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„Jetzt sind sie drin, Ihre Babys“, sagte Dr. Z. endlich. Die Tortur war vorüber. Alles hatte bisher tadellos funktioniert, nur der Embryotransfer, der ansonsten als völlig unproblematisch und schmerzlos beschrieben wird, hatte so weh getan. Ich war erschöpft. Vorsichtig wurde ich ins Zimmer zurückgeschoben, wo Klaus auf mich wartete. „Und?“, fragte er. „Es hat weh getan“, flüsterte ich. Aber bei Schmerzen ist es immer so: Kaum sind sie vorüber, hat man sie vergessen. Ich war wieder guter Dinge und musste an die vier Wesen in meinem Bauch denken. „Hallo Babys“, dachte ich, „willkommen zu Hause.“

Dr. Z. hatte mir erklärt, dass Achtzeller die optimale Entwicklung bei IVF bedeuteten. Er zeigte sich sehr zuversichtlich über den Ausgang dieses Versuchs: „Am besten, es werden Zwillinge.“ Die Sechszeller hatten weniger Überlebenschancen. Aber das war ja miteinkalkuliert, dass sich nicht alle Embryonen einnisteten. Er gab mir noch die Bewilligung für einen Bluttest mit. Den sollte ich zwölf Tage später machen. Dann würde man sehen, ob es mit der Schwangerschaft geklappt hatte oder nicht. Sonst gab es keine besonderen Anweisungen für die Lebensführung. Ganz normal weiterleben. Nicht gerade Extremsport betreiben, was ich sowieso nicht tat. Ich blieb noch zwei Stunden liegen, dann gingen wir wieder nach Hause.

 

Die nächsten elf Tage waren wohl die längsten meines Lebens. Dieses zermürbende Warten! Obwohl ich sehr optimistisch war, schlichen sich immer wieder Zweifel ein. Und wenn es doch nicht geklappt hatte? Wie würde es mir dann gehen?

Und was hingegen würde ich tun, wenn sich alle vier Embryonen eingenistet hatten? Dann hätten wir tatsächlich ein Problem. Ich fand es traurig, dass zum optimalen Ergebnis, nämlich der Einnistung von einem oder zwei Embryonen, gleichzeitig der Tod der anderen gehörte. Dass ich sozusagen hoffen musste, dass einige von ihnen eingingen. Die Entscheidung, eines oder zwei abtreiben zu lassen, wenn sich alle vier einnisteten, wäre schrecklich für mich gewesen. Ich spürte, welch sensible Grenzen überschritten werden, wenn der Mensch der Natur ins Handwerk pfuscht. Nur nicht abtreiben müssen. Dann sollte sich lieber keines entwickeln. Aber ich vertraute der Natur: Sie würde schon das Richtige tun.

 

In diesen Tagen erblühte meine Orchidee. Sieben wunderschöne Blüten taten sich eine nach der anderen auf. Ein herrlicher Anblick. Und ein so starker Ausdruck von Leben! Ich wertete das als gutes Zeichen. Die Orchidee brachte so wunderschöne, perfekte Kinder hervor und auch ich war dabei, Leben weiterzugeben.

Nach etwas mehr als einer Woche kam die Krise. Nein, es war aussichtslos. Es hatte nicht geklappt. Bestimmt nicht. Plötzlich war ich mir sicher. Warum sollte es auch, bei einer Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent? Warum sollte gerade ich zu dem Viertel Glücklichen gehören, bei denen es beim ersten Mal klappte? Dann keimte wieder Hoffnung auf. Immerhin hatte ja alles so gut funktioniert: die Stimulation, die Punktion, die Befruchtung und – wenn auch mit Schmerzen – der Transfer. Vielleicht waren sie doch noch da, die Babys? Wenigstens eines! Immerhin war mir jeden Tag leicht übel. Aber das konnte auch von den Spritzen kommen. Ja, die Spritzen war ich noch nicht los. Jeden zweiten Abend musste mir Klaus eine Progesteron-Spritze ins Hinterteil verpassen. Und an den anderen Abenden musste ich mir Plastikstäbchen mit Progesteron-Gel in die Scheide drücken. Das alles, um den Körper mit genügend Gelbkörperhormon zu versorgen, das zur Einnistung der Embryonen in die Gebärmutter gebraucht wird.

 

Endlich, nach Tagen, die sich unendlich in die Länge gezogen hatten, war der elfte Tag da. Morgen früh würde ich den Bluttest durchführen lassen. Aber so lange wollte ich nicht mehr warten. Ich hatte beschlossen, an diesem Abend zu Hause einen Schwangerschaftstest zu machen. Wenn ich wirklich schwanger war, musste das nun doch zu sehen sein. Nach dem Abendessen schlich ich mich ins Bad und holte den Test heraus. Klaus wusste nichts davon. Ich wollte das Ergebnis zunächst einmal allein erfahren. Klappe herunter, ein paar Sekunden in den Urinstrahl halten, Klappe hinauf, warten. Wenn ich schwanger war, musste sich das zweite Fenster verfärben.


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