Die Fähigkeit, Kinder empfangen, austragen und gebären zu können, liegt im Wesen der Frau, der Wunsch nach einem Kind ist also etwas ganz Natürliches. Umso traumatischer kann für viele Frauen die Erfahrung sein, dass dieser Wunsch sich offenbar auf natürliche Weise nicht erfüllt. Hier setzt die moderne Reproduktionsmedizin an, die aber leider allzu oft schnelle Erfolge verspricht und über die Gefahren und Misserfolge der angewendeten Therapien hinwegtäuscht. Denn das Geschäft mit den Retortenbabys boomt.
In meinem täglichen Umgang mit Sterilitätspatientinnen und deren Partnern bemühe ich mich darum, einen Mittelweg zu finden zwischen Hoffnung geben und realistisch bleiben. Nicht alles, was machbar ist, führt auch zum gewünschten Erfolg. Denn bei diesen Behandlungen sind zu viele unbekannte Faktoren im Spiel. Vieles kann erforscht, erprobt, nachgewiesen werden, aber ein kleiner Rest wird wohl immer unergründet bleiben. Man kann es „höhere Gewalt“, „göttliche Fügung“ oder wie auch immer nennen. Aber gerade diese „Unbekannte“ lässt Empfängnis so faszinierend sein.
Das richtige Gespräch ist in der Sterilitätsbehandlung von grundlegender Wichtigkeit. Der Wunsch nach einem Kind kann durchaus so groß werden, dass manche Patientinnen ihr Leben dafür riskieren. Der Arzt sollte sich also immer bewusst sein, dass diese Frauen die Behandlungen so lange auf sich nehmen, wie man ihnen dazu rät, unabhängig von den körperlichen und seelischen Auswirkungen. Doch gerade auch die psychische Komponente darf nicht außer Acht gelassen werden. Wie weit soll man gehen, was ist zumutbar, wo ist die Grenze? Manche Ärzte machen sich nicht viele Gedanken darüber, ziehen die Therapien einfach durch. Ein Arzt muss aber auch den Mut haben, zum Aufhören oder zu Alternativen wie etwa zur Adoption zu raten.
In diesem Sinne wünsche ich mir für das vorliegende Buch viele Leserinnen und Leser aus der Ärzteschaft. Ich hatte bei der Lektüre das Gefühl, die beschriebenen Situationen schon oft erlebt zu haben. Denn im Grunde macht jedes betroffene Paar dieselben Erfahrungen. Gleichzeitig hat mich das Buch in der Überzeugung bestätigt, wie wichtig es ist, das Gespräch mit dem Paar zu pflegen. Vertrauen und das richtige Feeling sind neben der Professionalität der Arbeit wesentlich für den Erfolg.
Wir Ärztinnen und Ärzte konzentrieren uns vielfach gerne auf das Fachliche und verlieren dabei den menschlichen Aspekt aus den Augen. Dieses Buch hilft uns dabei, uns in die Patienten hineinzuversetzen, das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefert-Seins, das sie in bestimmten Situationen befällt, nachzuvollziehen und so wieder zu einer ganzheitlichen Sicht unserer beruflichen Aufgaben zu gelangen. Oder, um es ganz plakativ auszudrücken: Wir sind nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele unserer Patienten verantwortlich.
Dr. Angelika Rabensteiner
Oberärztin an der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, Regionalkrankenhaus Bozen