Die künstliche Befruchtung und der steinige Weg zu einem Wunschkind. Die Eppanerin Maria Hechensteiner erzählt ihre Geschichte: erfolglose In-vitro-Fertilisation, Sehnsuch nach einem eigenen Kind, Naturheilkunde, politische Schlammschlachten und das anstehende Referendum.
Tageszeitung: Italien diskutiert über die künstliche Befruchtung. Was geht in Ihrem Kopf vor, wenn Sie die unterschiedlichsten Argumente hören? Die Kirche ruft zum Referendumsboykott auf, Frauenorganisationen wehren sich, Politiker winden sich ...
Maria Hechensteiner: Ich verfolge die Diskussion schon lange und als ehemalige Betroffene ist meine Haltung natürlich nicht neutral. Ich bewerte das Gesetz aus der Sicht der Kinderwunschpaare und da hat es viele negative Seiten. Allerdings wird die ganze Thematik auch politisch missbraucht. Die derzeitige Schlammschlacht ist nichts anderes als ein vorgezogener Parlamentswahlkampf. Und die Kirche versucht ebenfalls, Einfluss zu gewinnen. Um die künstliche Befruchtung und vor allem um die Betroffenen geht es schon lange nicht mehr.
Auf natürlichem Weg war es für Sie nicht möglich, ein Kind zu bekommen. 2001 haben Sie sich künstlich befruchten lassen, wie haben Sie die Zeit der Entscheidung erlebt?
In meinem Fall war es nicht unmöglich, aber nach ärztlicher Einschätzung sehr unwahrscheinlich. Daher wurde mir die künstliche Befruchtung empfohlen. Ich leide nämlich an Endometriose, die oft Grund für Unfruchtbarkeit ist. Aufgrund dieser Empfehlung habe ich zweimal eine In-vitro-Fertilisation gemacht. Die Entscheidung dazu war nicht leicht, mein Mann und ich haben viel diskutiert, ich war hin- und hergerissen, aber schließlich haben wir uns dazu entschlossen.
Wie wichtig war es für Sie und Ihren Mann, ein eigenes Kind zu bekommen?
Eine gute Frage, denn sie hilft, die Kinderwunschpaare besser zu verstehen. Lange Zeit war für mich ein eigenes Kind überhaupt nicht wichtig. Aber damals habe ich mir auch noch kein Kind gewünscht. Wenn sich ein Paar aber entschließt, ein Kind zu bekommen, und es treten unerwartete Schwierigkeiten auf, wird der Kinderwunsch plötzlich sehr stark, übermächtig. Kein Kind bekommen zu können, bedeutet für viele Betroffene, in einem ganz wichtigen Punkt des Lebens zu versagen. Da kommt eine große Traurigkeit auf und die Sehnsucht nach einem Kind wird immer größer.
Die Hormontherapie ist eine große Belastung für jede Frau. Würden Sie Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch trotzdem zur künstlichen Befruchtung raten?
Da muss ich zuerst meine eigene Geschichte fertig erzählen. Nachdem die In-vitro-Fertilisation bei mir erfolglos war, beschäftigte ich mich intensiv mit Naturheilkunde und nur sechs Monate später wurde ich auf natürliche Weise schwanger! Dieses Happy End hat mich bewogen, über meine Geschichte ein Buch zu schreiben und es ein "Mutmacher-Tagebuch für ungewollt kinderlose Frauen" zu nennen. Aufgrund meiner Erfahrung, die bei weitem kein Einzelfall ist, würde ich jedem Kinderwunschpaar raten, es zuerst mit Naturheilkunde zu versuchen und erst, wenn diese nichts nützt, auf künstliche Befruchtung umzusteigen. Es sei denn, es liegen schwere organische Schäden vor, z.B. fehlende Eileiter bei der Frau, dann hat die Naturheilkunde allein keinen Sinn. Aber solche Schäden sind ja eher selten.
Was bringt das aktuelle Befruchtungsgesetz? Wie viel schwieriger ist das Kinderkriegen seit Februar 2004?
Es ist schwieriger, weil jetzt nur mehr drei Eizellen befruchtet werden dürfen. Klappt die Befruchtung nicht oder nur schlecht, gibt es kaum Chancen auf eine Schwangerschaft. Vorher konnten mehr Eizellen befruchtet werden und die, die sich am besten entwickelten, wurden wieder eingepflanzt. Auch dürfen jetzt keine Embryonen mehr eingefroren werden. Das bedeutet immer wieder Da Capo, wenn es nicht klappt. Und es klappt oft nicht: Pro Versuch kommen nur zirka 15 Prozent der Paare zu ihrem Wunschkind.
Sie selbst standen dem Thema "künstliche Befruchtung" anfangs ablehnend gegenüber. Warum?
Die meisten Menschen, die keine Fruchtbarkeitsprobleme haben oder zu haben glauben, lehnen die künstliche Befruchtung für sich ab. Sie ist aufwendig und belastend und man denkt sich: Das alles für ein Kind? Nein danke! Wenn man aber selbst in dieser Situation ist, ändert sich die Sichtweise sehr schnell. Daher sind die Prozeduren und Belastungen, denen sich Kinderwunschpaare unterziehen, für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar.
Kommt eine zweite künstliche Befruchtung für Sie in Frage? Würden Sie dafür ins Ausland gehen, wo die Gesetze weniger rigide sind?
Für mich kommt die künstliche Befruchtung nicht mehr in Frage, da ich ja auf natürliche Weise schwanger werden kann. Ins Ausland zu gehen, ist auch eine finanzielle Frage. In Italien sind etwa vier bis sechs Versuche kostenlos. Im Ausland ist natürlich zu zahlen und die Preise gehen von 3.500 Euro pro Versuch aufwärts. Das Ausland ist vor allem für jene Paare interessant, die auf eine Samen- oder Eizellspende angewiesen sind. Anderen Paaren würde ich eher abraten zu gehen. So großartig sind die Erfolge dort auch wieder nicht.
Gehen Sie am nächsten Wochenende zum Referendum? Wie werden Sie stimmen?
Ich halte die Teilnahme an einem Referendum - egal, welches - für eine demokratische Pflicht und gehe daher selbstverständlich hin. Ich werde bei der Frage 1 mit Nein und bei den anderen drei Fragen mit Ja stimmen.
Hat Ihre persönliche Erfahrung großen Einfluss auf Ihr Abstimmungsverhalten?
Natürlich. Ich stimme aus der Sicht einer ehemaligen Betroffenen und so, wie ich es für Kinderwunschpaare am vorteilhaftesten halte.
Stichwort embryonale Stammzellenforschung. Sie plädieren, bei dieser Frage mit Nein zu stimmen. Warum?
Über die Embryonen wird geredet, als würden sie vom Himmel fallen oder auf Bäumen wachsen. Niemand spricht davon, dass zwei Menschen, und zwar vor allem die Frau, große Belastungen auf sich nehmen, um sie hervorzubringen. Die Forschung macht sie zu einem Nutzungsobjekt, dessen Vorteile nicht ihren Eltern, sondern anderen zugute kommen. Und es besteht die Gefahr, dass Paare zur künstlichen Befruchtung gedrängt werden, damit Embryonen für die Forschung anfallen. Das halte ich für eine Ausnützung dieser Menschen und lehne es daher ab.
Sonntagsgespräch in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ vom 4./5. Juni 2005